
Wirtschaftssenioren-Netzwerke in Japan
Ähnlich wie Deutschland sieht sich auch Japan mit einer sinkenden Geburtenrate und einer alternden Gesellschaft großen Zukunfts-problemen gegenüber. Es wird angenommen, dass die japanische Bevölkerung bis 2050 von derzeit etwa 127 Millionen auf unter 100 Millionen schrumpfen wird.
Der Anteil der über 65-jährigen an der Gesamtbevölkerung liegt derzeit bei 27% (Stand Januar 2016). Diese Entwicklung stellt die japanische Wirtschaft vor große Herausforderungen.
Japan ist wie Deutschland von einem starken Mittelstand geprägt. So sind 99,7% aller Unternehmen kleine und mittlere Unternehmen mit einer Belegschaft von bis zu 300 Mitarbeitern. Gerade diese Unternehmen haben lange Zeit vom starken Inlandsmarkt profitiert und müssen nun neue Märkte im Ausland erschließen.
Neben einem schrumpfenden Inlandsmarkt bringt der demographische Wandel auch einen verstärkten Mangel an Fachkräften mit sich, der gerade für außerhalb der großen Ballungsgebiete Kantô und Kansai (Großräume Tôkyô und Ôsaka) angesiedelte regionale Unternehmen existenzbedrohend sein kann. Dieser Mangel wird zusätzlich durch die Tatsache verstärkt, dass ein Großteil der japanischen Arbeitnehmer bereits mit 61 Jahren in den offiziellen Ruhestand verabschiedet wird. Die Unternehmen stehen hier vor einem Dilemma: Auf der einen Seite wird die Erfahrung der älteren Arbeitnehmer dringend benötigt, auf der anderen Seite jedoch macht das in Japan noch weit verbreitete Senioritäts-prinzip mit seinem je nach Alter steigenden Bezügen eine über das offizielle Renteneintrittsalter hinausgehende Beschäftigung gerade für kleine und mittlere Unternehmen finanziell schwierig.
In den letzten Jahren wurde eine Vielzahl von privaten und politisch geförderten Initiativen und Projekten ins Leben gerufen, die sich genau dieser Problematik des Fachkräftemangels, gerade bei regionalen kleinen und mittleren Unternehmen, annehmen. So zum Beispiel das von der IHK Kawaguchi in der Präfektur Saitama bei Tokyo unterstützte Projekt „OB („Old Boy“) Human Ressource Matching Conference“, das kleine und mittlere Unternehmen und ehemalige Fachkräfte aus den Bereichen Unternehmensführung, Marketing, Logistik, Finanzen oder etwa Patentrecht zusammenbringt.
Ehemalige Fachkräfte, die sich als OB registrieren möchten, müssen über 50 Jahre alt sein und mehr als zehn Jahre Erfahrung im jeweiligen Fachbereich mit sich bringen. Für den OB fällt bei der Teilnahme an diesem Programm eine Jahresgebühr von 5,000 Yen (etwa 40 Euro) an. Die IHK Kawaguchi vermittelt nur zwischen OB und Unternehmen; die Entscheidungen über eine Zusammenarbeit sowie weitere Regelungen zur Vergütung werden direkt zwischen den beiden Parteien getroffen. Die Beratungskosten bewegen sich jedoch gerade im Vergleich mit professionellen Unternehmensberatungen auf einem niedrigen Niveau. So nennt die IHK Kawaguchi 1,000-3,000 Yen (etwa acht bis 23 Euro) pro Stunde zuzüglich der anfallenden Anfahrtskosten als repräsentative Vergütungsbeispiele. Der OB steht dem Unternehmen dann meistens ein- bis zweimal pro Woche mit Rat und Tat zur Seite, die Gesamtdauer der Unterstützung wird dann ebenfalls zwischen den beiden Parteien entschieden.
Im Juli 2015 wurde auf Initiative der dem Japanischen Wirtschaftsministerium unterstehenden „Small and Medium Enterprise Agency“ ein Projekt ins Leben gerufen, das den durch den demographischen Wandel und die zunehmende Landflucht verstärkten Fachkräftemangel eindämmen soll - das "Senior's Positive Second Career Promotion Programme". In diesem Projekt werden gezielt in den großen Ballungsräumen lebende, noch berufstätige ältere Arbeitnehmer als Vollzeitarbeitskräfte an regional angesiedelte kleine und mittlere Unternehmen vermittelt.
Diese Maßnahmen alleine reichen natürlich nicht aus, den Fachkräftemangel gerade bei kleinen und mittleren Unternehmen mittel- bis langfristig zu beheben. Für diese Unternehmen bieten die verschiedenen Initiativen und Netzwerke aber einen unschätzbaren Pool erfahrener Berater, die auch im Alter noch motiviert sind und ihr wertvolles Wissen weitergeben möchten.
Sebastian Schmidt
JETRO Düsseldorf
JETRO Düsseldorf
Die JETRO (Japan External Trade Organisation) ist eine japanische halbstaatliche Organisation und untersteht dem japanischen Wirtschaftsministerium. Sie unterstützt Unternehmen, die in Japan investieren, mit einem japanischen Unternehmen kooperieren und ihre Produkte nach Japan exportieren wollen oder allgemein Fragen zum japanischen Markt haben. Darüber hinaus berät
sie auch japanische Unternehmen, die bereits in Deutschland ansässig sind oder den Schritt auf den deutschen Markt planen.
Sebastian Schmidt
Nach dem Studium der Regionalwissenschaft Japan an der Rheinischen Friedrich-Wilhelm-Universität in Bonn ist Herr Schmidt seit April 2010 als Senior Researcher in der Information & Market Information Abteilung der JETRO Düsseldorf tätig. Seine Aufgabengebiete umfassen die allgemeine Beobachtung der wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland sowie die Unterstützung japanischer Unternehmen. Für den japanischsprachigen Business-Newsletter der JETRO veröffentlicht Herr Schmidt regelmäßig wirtschaftsbezogene Artikel.